Was ist Partizipation?

Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.
Chinesisches Sprichwort

Vorbemerkung

Viele Menschen verbringen einen nicht unerheblichen Teil ihres Tages an der Technischen Universität München. Die Gestaltung dieser Arbeits- und Lebenswelt fällt jedoch nicht vom Himmel, sondern erfolgt über das Zusammenwirken zwischen den beteiligten Gruppen. Hier setzt die Partizipation (lateinisch "participatio": das Teilhaben, das Teilnehmen, das Beteiligtsein) an.

Grundannahme ist: Arbeitsbedingungen entstehen nicht durch Automatismen und sind auch nicht alternativlos, sondern sind Folge menschlicher Entscheidungen (mitunter auch Folge von menschlichem Desinteresse). So sind es auch menschliche Entscheidungen, die direkt oder indirekt dazu führen, dass andere Menschen prekär arbeiten (müssen).

Ausgehend von der Haltung und dem Menschenbild der Führungsebene können Beschäftigte  entweder als Kostenfaktor oder aber als Erfolgsfaktor, in den es sich lohnt (nicht nur monetär) zu investieren, betrachtet werden. Gerade in dem zweiten Kontext hat Partizipation immer etwas mit

  • Wertschätzung gegenüber den Betroffenen,
  • dem "Mitnehmen" der Betroffenen,
  • dem Abfragen der Expertise der Betroffenen (d.h. das Vermeiden von handwerklichen Fehlern),
  • dem Fördern der Verbundenheit zum Arbeitgeber

zu tun. Eine lebendige (und damit vielleicht auch nicht immer pflegeleichte) Partizipation, die sich nicht in Sonntagsreden erschöpft, stellt so immer eine Investition in die Zukunft einer Institution dar.

Generell besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Effizienz (bzw. zügigen Entscheidungsprozessen) auf der einen Seite sowie der Beteiligung der Betroffenen auf der anderen. Da dieses Spannungsverhältnis nicht generell aufzulösen ist, liegt die Kunst im Ausgleich dieser beiden Pole.

Ebenen der Partizipation

Ein wichtiges Element ist die verfasste Partizipation. Diese ist im Gegensatz zur nicht-verfassten (d.h. freiwilligen) Partizipation gesetzlich geregelt und vor allem (ganz wichtig!) gesetzlich garantiert. Dabei sind bei der verfassten Partizipation an Hochschulen drei Pfeiler zu unterscheiden:

  • betriebliche Mitbestimmung;
  • akademische/universitäre Mitbestimmung;
  • Tarifverhandlungen (tarifliche Ebene).

Betriebliche Mitbestimmung

Auf der betrieblichen Ebene erfolgt die Beteiligung über die drei örtlichen Personalvertretungen (Personalrat München, Personalrat Garching sowie Personalrat Weihenstephan) sowie z.B. bei überörtlichen Fragen durch den Gesamtpersonalrat gemäß dem Bayerischen Personalvertretungsgesetz (BayPVG). Darüber hinaus existiert im Rahmen der Stufenvertretung noch ein Hauptpersonalrat am Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Erwähnt seien daneben auch die Schwerbehindertenvertretungen sowie die Jugend- und Auszubildendenvertretungen der TU München.

Leider kennt das BayPVG keine Allzuständigkeit der Personalvertretung. Zweck der Allzuständigkeit ist das Ausschließen von Beteiligungslücken, die bei jeder expliziten Aufzählung auftreten können. Vorbild für die Allzuständigkeit sind § 2 Abs. 1 sowie § 51 Abs. 1 des in Schleswig-Holstein geltenden Gesetzes über die Mitbestimmung der Personalräte (Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein). Hier hat das BayPVG noch erheblichen Nachholbedarf.

Akademische Selbstverwaltung

Diese im Bayerischen Hochschulgesetz verankerte Teilhabe erfolgt über die Selbstverwaltungsgremien der TU München. Dies sind auf Ebene der Hochschule der Senat bzw. der Hochschulrat, auf der Fakultätsebene der Fakultätsrat (z.B. Maschinenwesen, Medizin, Elektrotechnik und Informationstechnik). Ausgangspunkt ist die Rechtsstellung der Hochschule als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung.

Dabei werden für die Vertretung der Mitglieder in den Selbstverwaltungsgremien vier Gruppen gebildet:

  • Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer,
  • wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Lehrkräfte für besondere Aufgaben (Gruppe der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter),
  • wissenschaftsstützend an der Hochschule tätige Beamtinnen und Beamte sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Gruppe der sog. "sonstigen" Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter),
  • Studierende.

Eine ganz konkrete Forderung in diesem Bereich ist die Aufhebung der in § 30 der Grundordnung der Technischen Universität München (auf Basis der „Kann“-Bestimmung aus Art. 39 Satz 4 BayHSchG) verankerten tu-spezifischen Inkompatibilität von Senats- und Personalratsarbeit.

Aber auch andere beispielhafte Ideen sollen nicht unerwähnt bleiben:

  • eine institutionalisierte Vernetzung der Personalvertretung mit der universitären Selbstverwaltung, wie dies die Universität Augsburg im Konvent der wissenschaftsstützenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen umgesetzt hat;
  • das im Montanbereich existierende Modell, in dem das im Vorstand für den Personalbereich zuständige Vorstandsmitglied auch das Vertrauen der Arbeitnehmerseite benötigt und nicht gegen die Mehrheit der Stimmen der Arbeitnehmervertreter be- bzw. abberufen werden kann. Denkbar wäre dies natürlich an Hochschulen nicht nur im Personalbereich, sondern analog auch im Bereich "Studium und Lehre". Abgeleitet ist diese Idee aus der Rechtsstellung einer Hochschule als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Recht zur Selbstverwaltung, durch die sich eine Hochschule explizit von einem Unternehmen unterscheidet.

Grundlage für konkrete Umsetzungen bilden hier entweder Öffnungsklauseln im BayHSchG oder auch die in Art. 106 Abs. 2 BayHSchG eröffnete Möglichkeit der abweichenden Regelungen bei Aufbau und Organisation einer Hochschule.

Tarifverhandlungen (tarifliche Ebene)

Über die von den Tarifvertragsparteien im Rahmen von Tarifverhandlungen ausgehandelten Tarifverträge werden die Arbeitsbedingungen nicht unerheblich gestaltet. Ein Beispiel ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Grundlage hierfür ist der Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (Koalitionsfreiheit), konkretisiert wird dies im Tarifvertragsgesetz.

Konkret sind die Verhandlungspartner im Zusammenhang mit dem TV-L
   -   auf Arbeitnehmerseite
       -   die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) als Verhandlungsführerin,
       -   die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW),
       -   die Gewerkschaft der Polizei (GdP),
       -   die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU);
       desweiteren ist dbb beamtenbund und tarifunion vertreten;
   -   auf Arbeitgeberseite
       die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL).

Bei Tarifverhandlungen liegt die Betonung immer auf dem Begriff "Verhandlung", d.h. in letzter Konsequenz handelt es sich bei dem ausgehandelten Ergebnis immer um einen Kompromiss. Dieser wird dabei nicht nur z.B. durch die jeweils gewählte Verhandlungsstrategie, sondern auch durch Faktoren wie "Durchsetzungsfähigkeit" beeinflusst. Diese wird jedoch erheblich durch den Rückhalt eines Verhandlungspartner bestimmt: je höher die Unterstützung, desto größer die Verhandlungsoptionen und umso besser (möglicherweise) das Ergebnis.

Das Bundesarbeitsgericht führt in einer Entscheidung (1 AZR 342/83 vom 12. September 1984) zu Tarifverhandlungen aus:

... Das Recht der Gewerkschaften, zur Durchsetzung von Arbeitsbedingungen einen Streik ausrufen zu dürfen, ergibt sich aus Art. 9 Abs. 3 GG. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet für jedermann und für alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen - Koalitionen - zu bilden. Diese Gewährleistung umfaßt auch den Schutz der Koalition als solcher und ihr Recht, durch spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen ... Zu der geschützten koalitionsmäßigen Betätigung gehört auch der Abschluß von Tarifverträgen, durch die die Koalitionen insbesondere Lohn und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem Bereich regeln, in dem der Staat seine Regelungszuständigkeit weit zurückgenommen hat, und zwar in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme ...

Die damit im Kern durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie wird durch das Tarifvertragsgesetz konkretisiert. Durch dieses Gesetz wird den Koalitionen das Recht eingeräumt, Normen im rechtstechnischen Sinne zu schaffen und damit den Inhalt von Arbeitsverhältnissen unmittelbar und zwingend zu gestalten. Das geschieht in der Form kollektiver Verträge (Tarifverträge), die zwischen einer Gewerkschaft einerseits und einem Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband andererseits zustande kommen müssen ...

Tarifverträge kommen nur zustande, wenn sie gegebenenfalls von den Gewerkschaften mit den Mitteln eines Arbeitskampfes erzwungen werden können. Die Gewerkschaften sind auf die Bereitschaft der Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände zum Abschluß von Tarifverträgen angewiesen. Sie wollen in der Regel eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder erreichen. Andererseits kann sich die Arbeitgeberseite auf die Ablehnung einer Vereinbarung beschränken. Deshalb hilft den Gewerkschaften nur ein weiterer Druck. Das folgt aus der bisherigen Sozialgeschichte ... ebenso wie aus der geltenden Wirtschaftsordnung. Nach dieser fließen Gewinne aus Preiserhöhungen und Produktivitätssteigerungen zunächst dem Unternehmer zu ... Bei diesem Interessengegensatz wären Tarifverhandlungen ohne das Recht zum Streik nicht mehr als "kollektives Betteln". ...